Catalin Mihuleac: Oxenberg & Bernstein

Von 26.08. 2018 März 4th, 2020 Bücher
Tino Schlench - Literaturpalast - Catalin Mihuleac - Oxenberg & Bernstein

Meine Güte, darf man das? Klar darf man! Insbesondere, wenn man die Sache so souverän beherrscht wie Catalin Mihuleac, der sich in seinem Roman Oxenberg & Bernstein (Zsolnay Verlag, 2018) mit der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“ in seiner Heimat Rumänien auseinandersetzt. Diesem Thema nähert er sich über die verschränkte Geschichte zweier Familien: Berichtet wird zum einen von der wohlhabenden Arztfamilie Oxenberg, die nahezu vollständig dem Pogrom von Iași vom 29. Juni 1941 zum Opfer fällt. Zum anderen geht es um die Bernsteins, die dem Pogrom – bei dem über 13.000 rumänische Jüdinnen und Juden getötet wurden – rechtzeitig entkommen und sich in durch den Handel mit Altkleidern ein imposantes Vermögen in den USA aufbauen können. Die zwei Erzählstränge wechseln sich kapitelweise ab und finden gegen Ende des Romans in Wien zusammen.

So weit, so gut. Die Art und Weise aber, in der hier erzählt wird, muss als befremdlich bis anmaßend bezeichnet werden. Denn detailversessene Gewaltschilderungen und skurriler, mitunter zotiger Humor gehen dabei nahtlos ineinander über; zuweilen in einem einzigen Satz. Stil und Sprache des von Ernest Wichner übersetzten Romans wurden in der Rezeption wahlweise als frivol-flapsig, oder aber – ganz im Gegenteil – als virtuos bezeichnet. Der Verfasser dieser Zeilen ist Teil des Jubelchors. Und zwar deshalb, weil der Zugang Mihuleacs dem Schreiben über die Shoah eine neue, radikale Spielart hinzufügt, die völlig frei ist von Holocaust-Kitsch und weiteren Sentimentalitäten.

„Es wird viel gestorben, es wird haufenweise gestorben. Zu spät, sich jetzt noch zu verkrümeln, die Richtung hat sich verkehrt, aus Westeuropa kommt man hierher, das Bündel am Stock. Zeremoniell schließen die Grenzen den Theatersaal des Landes.“

Catalin MihuleacOxenberg & Bernstein

Anders als im deutschsprachigen Raum interessierte sich die Literaturkritik in Rumänien nur am Rande für die originäre Form des Romans. Hier wurde vor allem der Inhalt des Buches kontrovers diskutiert. Denn Oxenberg & Bernstein schildert nicht nur die Mittäterschaft Rumäniens an den Verbrechen der Nationalsozialisten – es wirft auch einen kritischen Blick auf den aggressiven Antisemitismus, der seit den 1920er Jahren von staatlicher Seite angeheizt wurde. Ein Aspekt der rumänischen Geschichte, an den man sich heute nur ungern erinnert. Das machte Oxenberg & Bernstein zu einem Politikum und Catalin Mihuleac kurzzeitig zur persona non grata. Wie der Autor in einem Interview auf der BUCH WIEN 2018 berichtete, blieben Solidaritätsbekundungen von SchriftstellerkollegInnen aus. Stattdessen neidete man ihm den internationalen Erfolg. Auch eine Form der Respektbezeugung, wenn auch nicht die sympathischste…

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