Irgendwann habe ich die Editura Polirom einfach angeschrieben und um die Mail-Adresse von Adrian Schiop gebeten. So viele Autor:innen und Journalist:innen hatten mit zuvor von ihm und seinem bekanntesten Roman Soldaţii. Poveste din Ferentari erzählt, ich wollte ihn kennenlernen. Vielleicht ließe sich ein Artikel über ihn schreiben, queere Literatur hatte es vor ihm in Rumänien kaum gegeben. Seine Soldaten sind direkt, hart, explizit – Autofiktion, ein unglaubliches Wagnis, mehrfach ausgezeichnet und erfolgreich verfilmt. Ich fragte seinen Verlag auch, ob die Rechte für den deutschsprachigen Raum schon vergeben wären… nur um sicher zu gehen.
Adrian schlug ein Straßenlokal im Ferentari vor, gleich in der Nähe seiner Wohnung. Der Ferentari, in dem auch sein Roman spielt, gilt als Problembezirk, Armut und Kriminalität zeichnen das Viertel aus. Ich nahm die U-Bahn zur Station Helden der Revolution und ging von dort aus zu Fuß, sah belebte Plätze und Straßen, viele Grünflächen; gleichzeitig versehrte Menschen, streunende Hunde und zerstörte Häuser, ein erschütterndes Ausmaß an Verelendung.
Viel zu früh erreichte ich unseren Treffpunkt und musste dort einen Moment auf Adrian warten. Er kam mit dem Rad. Wir holten uns Getränke an der Bar (im Grunde war es eher ein Kiosk) und er erklärte mir: „Ich habe mit dem Trinken aufgehört und werde mir so ein alkoholfreies Bier nehmen, das nach Katzenpisse schmeckt. Ich kann es nicht empfehlen.“ Und so ein Bier nahm ich dann auch. Wir sprachen lange über seine Bücher und deren Rezeption und Rumänien, über seine langjährige Arbeit als Journalist und Maler und Drehbuchautor. Er gab mir die englischsprachige Ausgabe der Soldaten, erschienen in einem irischen Indieverlag in kleiner Auflage, dazu ein paar Quitten.
Eigentlich hatte ich noch einen wichtigen Termin und wollte aufbrechen, dann aber kamen seine Freundin Judit und sein Freund Vlad vorbei; ich blieb und es wurde gemütlich (obwohl beide schrecklich genervt von Adrians guter Laune waren). Judit ist Journalistin, Teil der ungarischen Minderheit und spricht fließend deutsch, Vlad, den alle Viski nennen, arbeitet für die LGBTQIA+ Organisation MozaiQ. Irgendwann schauten er und Adrian in meine Richtung und säuselten: „Du weißt schon, dass du hier mit zwei der prominentesten Homosexuellen des Landes zusammensitzt, oder?“
Es wurde dunkel und wir zogen weiter in Adrians Wohnung. Mir wurde reichlich nachgeschenkt (nein, diesmal kein alkoholfreies Bier), es gab zu essen und wir hörten Manele – Adrian hat über diesen Musikstil promoviert, er ist der Soundtrack des Bezirks und insbesondere für die Roma-Community von großer Bedeutung, auch außerhalb Rumäniens. Musik und Alkohol machten mich übermütig und bevor ich mich ins Taxi in die Innenstadt setzte, meinte ich: „Weißt du Adi, ich arbeite doch für einen kleinen Verlag in Wien. Keine Ahnung, ob das je zustande kommt, aber wenn ich dein Buch machen sollte, dann mit Eva Ruth Wemme. Für dein Buch ist sie die ideale Übersetzerin. Sie muss das machen!“ [Abgesehen von meiner Begeisterung für ihre Übersetzung von Verlorener Morgen von Gabriela Adameşteanu wusste ich, dass sich Eva Ruth Wemme in ihrer eigenen schriftstellerischen und therapeutischen Arbeit mit rumänischen Gastarbeiter:innen und Roma/Romnja auseinandersetzt.]
Und nun, nun sind die Soldaten tatsächlich auf Deutsch erschienen. Als mir Eva schrieb, dass sie den Text kennt und ihn gern übersetzen würde, und später auch die Zusage für die Übersetzungsförderung kam, hat mich das sehr glücklich gemacht. Ich habe das Buch lektoriert; es war eine schöne, bereichernde Zusammenarbeit. Der Roman von Adrian Schiop ist nach Dino Pešuts Daddy Issues die zweite Übersetzung aus den osteuropäischen Literaturen, die ich auf den Weg gebracht habe, gleichzeitig mein letztes Projekt für den Buchverlag TEXT/RAHMEN. Der Verlag möchte sich zukünftig in eine andere Richtung entwickeln und hat aus diesem Grund die Zusammenarbeit mit mir beendet. Seit Mai bin ich nicht mehr Teil des Verlagsteams. Wie es nun für mich weitergeht, das weiß ich noch nicht.
Was ich weiß: Dass ich mich sehr darüber gefreut habe, dass die Buchpremiere der Soldaten auf der Leipziger Buchmesse stattfinden konnte. Am rumänischen Gemeinschaftsstand gab es ein Podiumsgespräch (Adi, Eva und ich – Jan Cornelius hat gedolmetscht); im Rahmen der wunderbaren Balkannacht im UT Connewitz stellte Adi sein Buch ein weiteres Mal vor. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Adi, Eva, Traduki und dem Rumänischen Kulturministerium für ihre Arbeit, ihre Unterstützung und ihr Vertrauen.
Weitere Informationen zum Roman sowie eine Leseprobe gibt es auf der Webseite des Verlags: www.textrahmen.at