Es herrscht Krieg in Europa. Ein Krieg, der in unserer medialen Berichterstattung kaum noch eine Rolle spielt. Ein Krieg, der seit dem Frühjahr 2014 über 10.000 Menschenleben gefordert hat. Die Kampfhandlungen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und pro-russischen Separatisten im Donezbecken/Donbass dauern an. Es ist die wohl schwerste Krise zwischen dem Westen und Russland seit dem Ende des Kalten Krieges. Der politische Wille, diesen Konflikt zu lösen oder zu entschärfen, lässt sich momentan nicht erkennen. Der Reportage- und Bildband Grauzone. Eine Reise zwischen den Fronten im Donbass (Bahoe Books, 2018) nimmt es sich nicht zum Ziel, diesen komplexen und unübersichtlichen Stellungskrieg in seiner Gänze zu erläutern. Der österreichischen Journalistin Jutta Sommerbauer und dem Photographen Florian Rainer geht es in ihrem Buch vielmehr darum, die Lebensrealität der in der Ost-Ukraine Lebenden zu dokumentieren und in Text und Bild aufzubereiten.
”„In der Sprache der Experten gibt es noch ein anderes Wort für die Front: Kontaktlinie. Doch viel mehr ist sie eine Trennlinie. Sie trennt Nachbarn und Familien, keine feindlich gesinnten Gruppen.“
Jutta Sommerbauer und Florian RainerGrauzone
Sommerbauer und Rainer reisten im Frühling und Herbst des Jahres 2017 in den Donbass. Sie besuchten Dörfer und Städte vor und hinter der Gefechtslinie zu den Separatistengebieten. Die Texte zu den einzelnen Orten sind kurz und prägnant, nur ein bis drei Seiten lang. Oft wünscht man sich, Sommerbauer hätte den Schicksalen ihrer Gesprächspartnerinnen und -partner mehr Platz eingeräumt, wäre tiefer eingedrungen in das „Herz der Finsternis“. Ein weitaus größeres Problem stellen jedoch die Photographien des Bandes dar. Sie zeigen brennende Äcker, verlassene Ortschaften, verödete Landschaften, zerstörte Industrieanlagen. Und sie sind schön. Die unbestreitbare Schönheit dieser Bilder aber löst ein massives Unbehagen in denjenigen aus, die sie betrachten. Moralisches und ästhetisches Empfinden geraten darüber in einen Konflikt. Zur gleichen Zeit aber vermag es gerade die unanständige Schönheit des Photo-Materials und die befremdliche Ästhetisierung des Krieges, die eigene Ignoranz bezüglich der Kampfhandlungen in der Ostukraine umso deutlicher vorzuführen.
Für weitere Eindrücke aus dem Band Grauzone sei auf die Website der ERSTE Stiftung verwiesen, die die Publikation gefördert hat.