In den hehren Hallen der Weltliteratur finden sich zahlreiche Autorinnen und Autoren, die im Verlauf ihrer schriftstellerischen Karriere die Sprache gewechselt haben, in der sie ihre Werke verfassten. Häufig aufgrund von Flucht und Vertreibung. Dies galt auch für den in St. Petersburg geborenen Vladimir Nabokov (1899-1977), dessen aristokratische Familie sich im Jahr 1917 gezwungen sah, vor der Oktoberrevolution zu fliehen und Russland zu verlassen. Nach Jahren des Exils in England, Deutschland und Frankreich, zog es den ausgebildeten Zoologen und Literaturwissenschaftler schließlich 1940 in die USA. In diesem Zeitraum entschied er sich dazu, seine Texte von nun an auf Englisch zu schreiben. Dies mit großem Erfolg. Sowohl im russischen als auch im englischen Sprachraum gilt Nabokov heute als einer der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts.
Seine Meisterschaft zeigt sich nicht nur in Romanen wie Lolita (1955), Pnin (1957) oder Ada oder Das Verlangen. Aus den Annalen einer Familie (1969), sondern ebenso in seinem 1966 publizierten Selbstzeugnis Erinnerung, sprich. Wiedersehen mit einer Autobiographie, das in der Übersetzung von Dieter E. Zimmer im Rowohlt Verlag vorliegt. Dass das Buch schon kurz nach Veröffentlichung als gattungsweisend gepriesen wurde, hat vor allem mit dem ungewöhnlichen Zugang Nabokovs zu tun. Denn seine „Assemblage persönlicher Erinnerungen“ besteht aus einer Vielzahl von Einzelteilen, die bereits zuvor in diversen Zeitschriften erschienen waren. Für das Buch wurden sie neu geordnet, überarbeitet, ergänzt und teilweise von ihm selbst aus dem Russischen rückübersetzt.
”„Ich gestehe, ich glaube nicht an die Zeit. Es macht mir Vergnügen, meinen Zauberteppich nach dem Gebrauch zusammenzulegen, daß ein Teil des Musters über den anderen zu liegen kommt. Mögen Besucher ruhig stolpern. Und am meisten genieße ich die Zeitlosigkeit, wenn ich – in einer aufs Geratewohl herausgegriffenen Landschaft – unter seltenen Schmetterlingen und ihren Futterpflanzen stehe.“
Vladimir NabokovErinnerung, sprich
Der Großteil des Werkes widmet sich Nabokovs Jugend im vorrevolutionären St. Petersburg – seiner frühen Liebe für die Literatur, der Passion für das Schachspiel und die Schmetterlingskunde. Weitere Kapitel fokussieren das Studium in Cambridge und die Zeit in Berlin und Paris. Indiskretionen oder allzu Privatem gibt sich Nabokov dabei nicht hin. Stattdessen überzeugen seine Erinnerungen an eine unwiederbringlich verloren gegangene Welt durch stilistische Eleganz und einen wunderbar ironischen Snobismus.