Die Alte Schmiede ist ein kleiner Kunst- und Kulturverein in der Wiener Innenstadt, der seit über vierzig Jahren existiert. Ein angenehmer Ort, an dem viele Konzerte und Literaturveranstaltungen stattfinden. Vor etwa zwei Jahren, kurz nach Erscheinen seines Erzählbandes Die schönen Fremden (Zsolnay Verlag, 2016), habe ich hier den rumänischen Schriftsteller Mircea Cărtărescu lesen gehört. Ich kannte den Autor durch seine Orbitor-Trilogie, vor allem durch den ersten Teil Die Wissenden – ein völlig überladener, sprachversessener, manierierter und in meinen Augen: grandioser Roman – und war gespannt.
Und wurde völlig überrascht. Denn an diesem Abend erkannte ich Cărtărescu kaum wieder. Das soll nicht heißen, dass mir die gelesenen Texte nicht gefallen hätten. Doch doch. Die von Ernest Wichner übersetzten Erzählungen wurden kurzum besorgt und für schmissig, skurril und witzig befunden. Mit dem kleinen Einwand, dass man ihnen zu sehr anmerkt, dass sie auf eine Pointe geschrieben wurden. Nur mit seinen größer angelegten, verschroben-komplexen-gewaltigen Werken haben diese Erzählungen wenig gemein. Einige Leserinnen und Leser werden enttäuscht sein. Cărtărescu nennt die zugänglichen schönen Freunde sein „Nebenwerk“ – das ist nicht nur schlechtes Marketing, das ist auch eine irritierende Aussage für einen Schriftsteller, der sich dezidiert der Postmoderne zurechnet. Aber soll jemand diesen Menschen verstehen!
Während der Lesung in Wien gab er sich dieser Mensch ruhig, aufgeweckt und bescheiden, nur um sich dann beiläufig für den Literatur-Nobelpreis zu empfehlen. Das Publikum pflichtete ihm mit Applaus bei. Angeblich war seine Aussage ironisch gemeint (niemals). Doch dass er sich seiner eigenen Größe – und Eitelkeiten – durchaus bewusst ist, merkt man auch seinen Erzählungen an. Im Grunde genommen sogar jeder einzelnen von ihnen. Egal ob er darin von einem mutmaßlichen Anthrax-Anschlag, einer Rundreise rumänischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller durch Frankreich, oder aber von einer misslungenen Lyrik-Lesung im Ort Bacău berichtet. Wir werden sehen, in welche Richtung sich der Autor zukünftig bewegen wird. Die deutschsprachige Übersetzung seines letzten Romans Solenoid sei ihm kürzlich von Zsolnay Verlag zugesichert worden, verkündet er am Ende des Abends stolz. Sein bisher bestes Werk! Aber hier zitiere er wirklich nur die rumänische Presse …ja, ja.